Sturzangst: Wieder Vertrauen in die eigene Bewegung gewinnen
Die Angst vor Stürzen kann ebenso einschränkend sein wie ein tatsächlicher Sturz. Hier erfahren Sie, wie Sie den Teufelskreis durchbrechen und Ihr Selbstvertrauen zurückgewinnen.
Was ist Sturzangst?
Sturzangst (auch Post-Fall-Syndrom genannt) ist eine übermäßige Angst vor Stürzen, die zu Vermeidungsverhalten führt. Betroffene schränken ihre Aktivitäten ein, bewegen sich weniger und verlieren dadurch Kraft und Balance – was paradoxerweise das Sturzrisiko erhöht. Es entsteht ein Teufelskreis.
💡Wie häufig ist Sturzangst?
Etwa 30-60% aller älteren Menschen haben Angst vor Stürzen – auch solche, die noch nie gestürzt sind! Nach einem tatsächlichen Sturz entwickeln bis zu 70% eine Sturzangst. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Der Teufelskreis der Sturzangst
1. Angst vor Stürzen (oft nach einem Sturz oder Beinahe-Sturz)
2. Vermeidungsverhalten: Weniger Aktivitäten, weniger rausgehen
3. Körperliche Dekonditionierung: Muskelschwäche, schlechtere Balance
4. Erhöhtes Sturzrisiko durch Schwäche
5. Noch mehr Angst – der Kreislauf beginnt von vorn
Wer ist besonders gefährdet?
Risikofaktoren für Sturzangst:
- ⚠️Vorangegangener Sturz – der wichtigste Faktor
- ⚠️Sturzfolgen: Verletzung, Krankenhausaufenthalt
- •Weibliches Geschlecht
- •Höheres Alter (über 80 Jahre)
- •Alleinleben
- •Depression oder Angststörung
- •Gleichgewichtsprobleme
- •Eingeschränktes Sehvermögen
Warum ist das wichtig?
Sturzangst ist nicht nur ein psychisches Problem – sie hat massive Auswirkungen auf Ihre körperliche Gesundheit und Lebensqualität.
⚠️Folgen von Sturzangst
- • Bewegungsmangel: Aktivitäten werden vermieden
- • Muskelabbau: Durch Inaktivität
- • Schlechtere Balance: Erhöht tatsächliches Sturzrisiko
- • Verlust der Selbstständigkeit
- • Soziale Isolation: Trauen sich nicht mehr raus
- • Depression: Gefühl der Hilflosigkeit
- • Verminderte Lebensqualität
✅Mit Behandlung
- • Wiedergewonnenes Selbstvertrauen
- • Erhalt der Mobilität
- • Aktive Teilnahme am Leben
- • Bessere körperliche Fitness
- • Tatsächlich niedrigeres Sturzrisiko
- • Selbstständigkeit bleibt erhalten
- • Höhere Lebensqualität
Wichtig zu verstehen
Sturzangst ist nicht Ihre Schuld und nicht ein Zeichen von Schwäche. Sie ist eine normale Reaktion auf eine bedrohliche Erfahrung. Aber: Sie können etwas dagegen tun! Mit den richtigen Strategien lässt sich die Angst überwinden.
Was kann ich selbst tun?
Der Schlüssel ist: Den Teufelskreis durchbrechen durch schrittweise Aktivierung und Wiederaufbau von Selbstvertrauen.
1. Realistische Risikoeinschätzung
Die Angst überprüfen:
- • Ist die Situation wirklich so gefährlich?
- • Was ist das Schlimmste, das passieren kann?
- • Wie wahrscheinlich ist das wirklich?
- • Welche Sicherheitsmaßnahmen gibt es?
Oft ist die gefühlte Gefahr viel größer als die tatsächliche. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Therapeuten über Ihre Ängste.
2. Stufenweise Exposition
Kleine Schritte in Richtung Normalität:
Stufe 1:
Zu Hause in sicherer Umgebung bewegen
Stufe 2:
Mit Begleitung vor die Tür, kurze Strecken
Stufe 3:
Alleine kurze, vertraute Wege
Stufe 4:
Längere Strecken, neue Wege
Stufe 5:
Anspruchsvolleres Gelände, Treppen
Wichtig: Jede Stufe so lange üben, bis Sie sich sicher fühlen. Nicht zu schnell steigern!
3. Kraft und Balance trainieren
Körperliche Fitness gibt Sicherheit zurück:
- • Gleichgewichtsübungen: Täglich 10-15 Minuten
- • Krafttraining: 2-3x pro Woche Beine stärken
- • Gehtraining: Regelmäßig spazieren gehen
- • Tai Chi oder Yoga: Verbessert Balance und Selbstvertrauen
Je fitter Sie sind, desto sicherer fühlen Sie sich!
4. Sichere Umgebung schaffen
Stolperfallen beseitigen gibt Sicherheit:
- • Teppiche entfernen oder fixieren
- • Kabel ordentlich verlegen
- • Haltegriffe in Bad und WC
- • Gute Beleuchtung überall
- • Rutschfeste Matten
- • Festes Schuhwerk mit gutem Profil
- • Hausnotruf bei Bedarf
5. Hilfsmittel nutzen
Hilfsmittel sind keine Schwäche, sondern klug:
- • Gehstock: Gibt Sicherheit und Stabilität
- • Rollator: Bei stärkeren Einschränkungen
- • Hüftprotektor: Polster schützen bei Sturz
- • Hausnotruf: Gibt Sicherheitsgefühl
Lassen Sie sich beraten! Richtig angepasste Hilfsmittel können helfen, wieder aktiver zu werden.
6. Soziale Unterstützung suchen
Sie sind nicht allein:
- • Sprechen Sie mit Familie und Freunden
- • Sturzpräventions-Kurse besuchen
- • Sportgruppen für Senioren
- • Selbsthilfegruppen
- • Gemeinsam spazieren gehen
7. Richtiges Verhalten üben
Wie stehe ich auf nach einem Sturz?
- 1. Kurz liegen bleiben, durchatmen, Verletzungen prüfen
- 2. Auf die Seite drehen
- 3. In Bauchlage kommen, auf alle Viere
- 4. Zu einem stabilen Möbelstück krabbeln
- 5. Aufrichten: Ein Knie aufstellen, hochstemmen
- 6. Erst hinsetzen, dann Hilfe holen wenn nötig
Üben Sie das! Am besten mit Physiotherapeut oder zu Hause mit Unterstützung. Das gibt Sicherheit.
8. Professionelle Hilfe holen
Bei starker Angst nicht zögern:
- • Physiotherapie: Gezieltes Balance- und Krafttraining
- • Ergotherapie: Alltagsstrategien und Wohnungsanpassung
- • Psychologische Beratung: Bei Angststörung oder Depression
- • Sturzpräventions-Programme: Spezialisierte Kurse
💪Der Weg zurück
Sturzangst zu überwinden ist ein Prozess, kein Ereignis. Es braucht Zeit, Geduld und Übung. Aber:
- • Jeder kleine Schritt zählt
- • Rückschläge sind normal – nicht aufgeben!
- • Erfolge feiern, auch die kleinen
- • Mit jedem Mal wird es leichter
Sie können Ihr Selbstvertrauen zurückgewinnen!
Häufige Fragen
Ist Sturzangst nach einem Sturz normal?
Ja, eine gewisse Vorsicht nach einem Sturz ist normal und sinnvoll. Problematisch wird es, wenn die Angst so stark wird, dass Sie Aktivitäten vermeiden und sich immer weniger bewegen. Das führt zu Muskelschwäche und erhöht paradoxerweise das Sturzrisiko.
Wie lange dauert es, Sturzangst zu überwinden?
Das ist individuell sehr unterschiedlich. Mit gezieltem Training und schrittweiser Steigerung erleben viele Menschen nach 8-12 Wochen deutliche Verbesserungen. Wichtig ist: Geduld haben und kontinuierlich dranbleiben. Rückschläge sind normal.
Kann ich die Angst alleine überwinden?
Leichte Sturzangst können Sie oft selbst angehen mit den beschriebenen Strategien. Bei starker Angst, die Ihr Leben massiv einschränkt, sollten Sie professionelle Hilfe suchen: Physiotherapie, Ergotherapie oder auch psychologische Unterstützung können sehr hilfreich sein.
Macht ein Gehstock mich nicht noch unsicherer?
Nein, im Gegenteil! Ein richtig angepasster Gehstock gibt Sicherheit und kann helfen, das Vertrauen zurückzugewinnen. Er ist ein Hilfsmittel, kein Zeichen von Schwäche. Wichtig ist die richtige Höhe und korrekte Verwendung – lassen Sie sich beraten!
Was, wenn ich wieder stürze?
Das Risiko lässt sich nie auf Null reduzieren. Wichtig ist: Lernen Sie, wie man richtig aufsteht nach einem Sturz. Üben Sie das! Viele haben mehr Angst vor der Situation 'ich liege und komme nicht hoch' als vor dem Sturz selbst. Mit der richtigen Technik können die meisten Menschen selbstständig aufstehen.
Quellen und Aktualität
Verwendete Quellen:
- • American Geriatrics Society: Prevention of Falls in Older Persons, 2024
- • Cochrane Review: Interventions for preventing falls in older people living in the community, 2024
- • Zijlstra et al.: Effects of a multicomponent cognitive behavioral group intervention on fear of falling, BMJ 2009
Letzte Aktualisierung: Januar 2025
Nächste Überprüfung geplant: Januar 2026
⚕️Medizinischer Hinweis
Die Informationen auf dieser Seite dienen der allgemeinen Aufklärung über Sturzangst. Sie ersetzen keine persönliche ärztliche oder psychologische Beratungund sind nicht zur Selbstdiagnose oder Selbstbehandlung gedacht.
Bei starker Angst, die Ihr Leben erheblich einschränkt, oder bei Anzeichen einer Depression suchen Sie bitte professionelle Hilfe.
Ihr Hausarzt kann Sie an geeignete Fachleute überweisen (Physiotherapie, Ergotherapie, Psychotherapie).